Bestrafung der Stadt Halberstadt nach der Niederschlagung des Bauernaufstandes

Signatur:
LASA, A 13, Nr. 625
Seitenangabe:
10r-14r
Datierung:
nach 6. August 1525
Orte:
Calbe (Saale)
Calbe (Saale)
Gröningen
Halberstadt
Halle (Saale)
Wichtige Personen:
Albrecht <Mainz, Erzbischof, Kurfürst, Kardinal, II.> (* 1490 † 1545)
Bearbeiter:
Rothe, Vicky
Überlieferungsform:
Reinschrift
Verweis auf andere Schaufensterdokumente:
Historische Einordnung:
Nach der Niederwerfung der Bauernaufstände im nördlichen Harzgebiet formulierte Kardinal Albrecht von Brandenburg gemeinsam mit seinen Räten im August 1525 die vorliegende Instruktion, die sich mit der Bestrafung Stadt Halberstadt beschäftigte. Die umliegenden Bauernunruhen auf dem Land, die größtenteils durch die Unzufriedenheit der Bauern mit den gegebenen Lebensumständen, den hohen Abgaben und den zu leistenden Frondiensten ausgelöst wurden (zu denken sei beispielsweise an die ganz in der Nähe entstandenen Bauernartikel der Bauern von Obhausen), hatten auch eine enorme Wirkung auf die städtischen Verhältnisse in Halberstadt. Städtische Unruhen waren zwar etwas Typisches in der ständischen Gesellschaft, erhielten allerdings in dem Zeitraum von 1524 bis 1526 durch die Verbindungen zum Bauernkrieg eine erhöhte Brisanz. Einen erheblichen Einfluss auf die Entwicklung hatte die reformatorische Bewegung, die oft als Katalysator der städtischen Unruhen wirkte. Bereits in den frühen 1520er Jahren wandten sich erste Halberstädter der Reformation zu, die sich langsam auch im Umland ausbreitete. Die ersten evangelischen Bestrebungen manifestierten sich im Konvent der Augustinerchorherren, die auch reformatorische Prediger in die Stadt holten. Erste Auseinandersetzungen mit den altgläubigen Institutionen in der Stadt waren die Folge. So wurde im April 1523 das Johanniskloster gestürmt und geplündert. Ähnliche Szenarien liefen in Quedlinburg und Aschersleben ab. In erster Linie waren die Aufstände gegen die Stadt- bzw. Landesobrigkeit und deren schrittweisen Vereinnahmung von althergebrachten Rechten sowie deren zunehmenden Zugriff auf die Stadt gerichtet und zielten auf die Wahrung der städtischen Autonomie und nach Möglichkeit auf deren Ausbau im politischen wie wirtschaftlichen Sinne ab. Im Frühjahr 1525 kulminierten die Konflikte im sogenannten Bauernkrieg, in dessen Folge Klosterplünderungen und gewalttätige Auseinandersetzungen stattfanden, wobei die Halberstädter mit den Bauernhaufen des Umlandes gemeinsame Sache machten. Auch trat der Stadtrat von Halberstadt dabei offen für die Reformation ein und bemächtigte sich in diesem Zusammenhang der sogenannten Vogtei, dem bischöflichen Gerichtsbezirk in der Stadt, und zwang den Weihbischof, den Bürgereid zu leisten – er sollte damit der städtischen Gerichtsbarkeit unterstehen und keine Privilegien mehr genießen.
Nachdem die Bauernaufstände aber scheiterten, wandte sich der Halberstädter Rat reumütig an Albrecht von Brandenburg und an dessen Räte in Calbe und bot seine Unterstützung bei der Strafverfolgung an. Man hoffte, dass sich ihr Landesherr gnädig erweisen würde und sie auf Strafmilderung plädieren könnten. Doch Albrecht von Brandenburg wollte nicht nachgiebig sein. Zu groß waren die der Stadt vorgeworfen Vergehen.
Detailliert listet das Dokument die Vorwürfe auf: Neben den Klosterstürmen und der Übernahme bischöflicher Gerichtsbarkeit werden Steuerhinterziehung, der Griff nach dem Besetzungsrecht über die Pfarren, Predigerstühle und andere geistliche Lehen, die Schändung von Gräbern, die Zerstörung von Altären, Heiligenfiguren und -bildern, Brandschatzung, Diebstahl und schließlich das Vergehen, die Post der Geistlichen abgefangen zu haben, erwähnt.
Die aufmüpfigen Bürger von Halberstadt sollten stattdessen harte Repressalien zu spüren bekommen: Alle Verträge und geschlossenen Bündnisse, die sie mit anderen Städten in und außerhalb des Stiftsgebietes getroffen hatten, wurden für ungültig erklärt. Auch mussten sämtliche Waffen, die sich in der Stadt befanden, abgegeben werden. Die Unruhestifter mussten an die zuständigen Behörden übergeben werden, um sie ihrer rechtmäßige Bestrafung zuzuführen. Flüchtige erhielten sogar ein dauerhaftes Aufenthaltsverbot in der Stadt. Um der Stadt einen erheblichen wirtschaftlichen Schaden zuzufügen, verlor sie des Weiteren ihre Privilegien und Innungsverschreibungen. Als Entschädigungsleistung wurden der Stadt die Kosten eines neuen Residenzbaus und die Strafzahlung von 20.000 Gulden auferlegt. Künftig mussten auch alle Steuern und Abgaben pflichtbewusst abgeleistet werden. Das Wichtigste aber war, dass sich die Stadt verpflichtete, in Zukunft sich nicht mehr gegen ihren „rechtmäßigen Herrn“ aufzubegehren und sich Albrecht von Brandenburg mit der erneuten Huldigung zu unterwerfen.
Die Verfassung der Instruktion erfolgte aus einer klaren Machtposition Albrechts heraus, mit dem Ziel, die alten Verhältnisse wieder herzustellen. Allerdings wehrte sich der Stadtrat geschickt gegen diese Vorwürfe und verhandelte im Anschluss über diese Anordnungen. So schafften es die Halberstädter, sich zwar als schuldig bekennen zu müssen, zugleich aber „nur“ noch ein Strafgeld von 7.000 Gulden zu zahlen.
Literatur:
Peter Blickle, Unruhen in der ständischen Gesellschaft 1300-1800. 3. aktualisierte und erweiterte Auflage. München 2012.
Hermann Goebke, Der Bauernkrieg im Fürstbistum Halberstadt 1525. Halberstadt 1933.
Manfred Straube, Über städtische und bäuerliche Unruhen im Nordharzgebiet während des Bauernkrieges, in: Erika Uitz (Hrsg.), Stadtgemeinde und Stadtbürgertum im Feudalismus. Protokoll der 1. Tagung der Fachkommission Stadtgeschichte vom 20. und 21. November 1974 in Magdeburg. Magdeburg 1976, 126–144.
Michael Scholz, Die Reformation im Hochstift Halberstadt, in: Adolf Siebrecht (Hrsg.), Geschichte und Kultur des Bistums Halberstadt 804-1648. Symposium anläßlich 1200 Jahre Bistumsgründung Halberstadt 24. bis 28. März 2004, Protokollband. Halberstadt 2006, 629–642.
Günter Vogler, Der Bauernkrieg in Thüringen und im Reich, in: Ders. (Hrsg.), Bauernkrieg zwischen Harz und Thüringer Wald. (Historische Mitteilungen im Auftrag der Ranke-Gesellschaft Bd. 69) Stuttgart 2008, 11–29.
Nachweis früherer Editionen:
Walther Peter Fuchs (Hrsg.), Akten zur Geschichte des Bauernkriegs in Mitteldeutschland, Bd. II. Jena 1942, Nr. 1841, 639–641. [Auszüge]
Bemerkung:
Orig., Papier, 5 Blätter, 21,3 x 33,8 cm, beidseitig beschrieben, korrigierte Reinschrift