Die Sammlung

Allgemeine Information
 

Die Flugschriftensammlung der Wartburg Eisenach umfasst rund 800 Druckschriften der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Damit verfügt die Wartburg Eisenach über einen kulturhistorisch hochwertigen Schatz reformationszeitlicher Textüberlieferung von nationaler Bedeutung und großem Potential für die Forschung. Die zentrale Bedeutung der Sammlung speziell im Kontext der Lutherdekade und des Reformationsjubiläums 2017 - aber auch weit darüber hinaus - wird dadurch unterstrichen, dass die Sammlung mehr als die Hälfte der Schriften Martin Luthers enthält, welche zu Lebzeiten des Reformators erschienen sind. Die Anlage der Sammlung erfolgte im 19. Jahrhundert.
 

Die in der Sammlung enthaltenen Drucke zählen zur Gattung der Flugschriften. Hierunter versteht man Gelegenheitsschriften von geringem Umfang, welche seit der Erfindung der Drucktechnik als lose Schriften in Umlauf kamen und aufgrund ihrer weiten Verbreitung als Massenmedien der Reformationszeit zu gelten haben.
 

Flugschriften dienten sowohl der Unterrichtung in religiösen und politischen Angelegenheiten. Gleichzeitig standen sie während der Reformationszeit als weit verbreitete Medien im Fokus der glaubenspolitischen Auseinandersetzungen und boten den widerstreitenden Parteien eine publizistische Plattformen für die Bekanntmachung ihrer religionspolitischen Standpunkte. Die Bezeichnung "Flugschrift" stammt aus dem ausgehenden 18. Jahrhundert und bezieht sich auf das "fliegende", also lose und nicht gebundene Blatt oder Heft.
 

Inhalt
 

Die Flugschriftensammlung der Wartburg ist integraler Bestandteil der 1883 aus Anlass des 400. Geburtstages von Martin Luther ins Leben gerufenen Luther-Bibliothek auf der Eisenacher Wartburg. Mit der Gründung der sogenannten Luther-Bibliothek der Wartburg verfolgten deren Initiatoren u. a. das Ziel, die schriftstellerischen Leistungen Luthers, seiner Mitstreiter und Gegner in ihren Originalausgaben zu sammeln, um ein Gesamtbild der Reformation zu gewinnen und der Nachwelt zu bewahren.
 

Die seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert auf der Wartburg zusammengetragene Flugschriftensammlung umfasst eine Vielzahl zeitgenössischer Drucke von Schriften Martin Luthers, seiner Mitstreiter (u. a. Philipp Melanchthon) und seiner prominenten Gegner (u. a. Papst Leo X.). Ihr sind mehr als 800 Druckschriften zuzuordnen mit einem Umfang von rund 75.000 Seiten. Darunter befinden sich zahlreiche Schriften der Wittenberger Reformatoren sowie Sendbriefe, Pasquillen, Dialoge und Traktate, ebenso wie Pamphlete, Predigten, Lieder, Gedichte und viele weitere Schriften.
 

Sammlungsgeschichte
 

Zunächst waren die Bücher der Luther-Bibliothek im obersten Stockwerk des Bergfrieds der Wartburg untergebracht. Ab 1885 erhielt die Sammlung ihren Platz neben dem Pirckheimer-Stübchen in der 1878 von Michael Welter mit Malereien ausgestatten oberen Vogteistube. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde die Sammlung zusammen mit der damals neu gebildeten Carl-Alexander-Bibliothek vereinigt und vorübergehend in die Eisenacher Predigerkirche verbracht und dort aufgestellt.
 

Bestandsergänzungen erfuhr die Bibliothek in den Folgejahrzehnten parallel zu den übrigen Beständen durch Geschenke. Erst im Jahr 1955 kehrte sie auf die Wartburg zurück. Seit 1967 ist die Bibliothek im oberen Geschoß der Vogtei in den früheren Reformationszimmern untergebracht, wo sie sich heute noch befindet. 2011 wurde die Sammlung im Digitalisierungszentrum der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (ThULB) digitalisiert und dort bibliothekarisch erschlossen.
 

Der Bedeutung der Eisenacher Flugschriftensammlung sowohl für die reformationshistorische Forschung sämtlicher Wissenschaftsdisziplinen als auch für die kulturhistorisch interessierte Öffentlichkeit stand lange Zeit ihr begrenzter Bekanntheitsgrad entgegen. Die Ursache hierfür lag in der bisher unzureichenden Verzeichnung der Sammlung und ihrer Teile. Diese Lücke wird durch das von der Wartburg-Stiftung und der ThULB Jena gemeinschaftlich durchgeführte Projekt geschlossen. In diesem Rahmen wurden sämtliche in der Sammlung enthaltenen Schriften nicht nur digitalisiert, sondern gleichzeitig auch im Verzeichnis der im deutschen Sprachbereich erschienenen Drucke des 16. Jahrhunderts (VD 16) erfasst und damit in dem zentralen nationalbibliographischen Nachweisinstrument für deutschsprachige Literatur des 16. Jahrhunderts verzeichnet.
 

Potential für neue wissenschaftliche Erkenntnisse lässt die Sammlung nicht nur in Bezug auf rezeptionsgeschichtliche Zusammenhänge erwarten, sondern auch hinsichtlich exemplarspezifischer Besonderheiten in den einzelnen Drucken der Sammlung, wie z. B. Besitzereinträge, Randbemerkungen, Widmungen etc.
 

Für Fragen, Anregungen und Vorschläge richten Sie Ihre Anfrage bitte an die Ansprechpartner des Projekts.