Kurfürst Friedrich III. von Sachsen informiert seinen Bruder, Herzog Johann von Sachsen, über seinen Gesundheitszustand und legt seine Auffassung zum Bauernaufstand dar.

Signatur:
ThHStAW, EGA, Reg. N 821
Seitenangabe:
33r-v
Datierung:
14. April 1525
Orte:
Annaburg
Wichtige Personen:
Friedrich <Sachsen, Kurfürst, III.> (* 1463 † 1525)
Sachsen, Kurfürst von, Johann
Bearbeiter:
Blaha, Dagmar
Überlieferungsform:
Ausfertigung
Historische Einordnung:
Wirtschaftliche Probleme, Druck der weltlichen und geistlichen Grundherren und die willkürliche Auslegung überlieferten Rechts haben im Verlauf des 15. Jahrhunderts die Unzufriedenheit der Kleinbürger und Bauern wachsen lassen und führten bereits zu dieser Zeit immer wieder zu Erhebungen des „gemeinen Mannes“, die gegen die ökonomischen und politischen Privilegien der Patrizier und des Klerus gerichtet waren. Durch Martin Luthers Kritik an den Zuständen der Kirche, seine Erkenntnis, das der Mensch niemandes Untertan sei und dass er sein Seelenheil allein durch den Glauben an Gott erlangen könnte, untergrub nicht nur den Absolutheitsanspruch der katholischen Kirche, sondern lieferte auch das geistige Rüstzeug für die empörten Bauern und Kleinbürger. Sie verstanden nun, dass die mit dem „Willen Gottes“ gerechtfertigten Privilegien des Adels und der Kirche ihnen ebenso zustanden. Überall im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation kam es zu Erhebungen nicht nur von Bauern, sondern auch von Stadtbewohnern.
Eines der Zentren dieser Empörungen, die als Großer Deutscher Bauernkrieg in die Geschichte eingegangen sind, ist Thüringen gewesen. Hier regierte seit 1513 der sächsische Herzog Johann im Auftrag seines Bruders, des Kurfürsten Friedrich des Weisen. Dem Aufruhr versuchten die Brüder eher mit politischen und diplomatischen Mitteln beizukommen, mit wechselndem Erfolg. Ab 1524 erreichten sie beinahe täglich neue Meldungen von Territorialherren über Aufstände in deren Gebiet. In Thüringen waren das Gebiet um Allstedt und die Freie Reichsstadt Mühlhausen zum Mittelpunkt der Aufstandsbewegung geworden. Hier propagierte Thomas Münzer seine Vorstellungen von einer neuen, gerechteren Gesellschaftsordnung und förderte damit wesentlich die Bereitschaft der Unzufriedenen, sich ihr Recht mit Gewalt zu holen.
Mehrmals in der Woche berichtete Herzog Johann von Sachsen aus Weimar seinem schwer kranken Bruder Friedrich in Lochau Anfang des Jahres 1525 von den Aktivitäten der Aufständischen in Thüringen und anderen Gebieten. Im April 1525 schien die Lage in allen Territorien zu eskalieren. Zwar war es dem Schwäbischen Bund gelungen, den Baltringer Haufen schnell zu schlagen, aber überall flammten neue Empörungen auf. In dieser Situation bat Landgraf Philipp von Hessen um militärische Unterstützung bei der Niederwerfung von Aufständischen in seinem Gebiet. Herzog Johann wollte sich mit Kurfürst Friedrich darüber beraten, ob dem Gesuch des Landgrafen stattgegeben werden sollte. Bisher hatte die Taktik der ernestinischen Fürsten darin bestanden, offenen Konflikten auszuweichen und militärisches Eingreifen hinter politische Maßnahmen zurückzustellen. Dies wird auch im Antwortbrief des Kurfürsten auf die nicht überlieferte Anfrage seines Bruders deutlich. Es ist eines der letzten kurfürstlichen Schreiben vor dem Tod Friedrichs. Angesichts der spannungsgeladenen Situation wird hier sein Gefühl der Unsicherheit, vielleicht sogar der Ohnmacht sehr gut deutlich, aber auch das Gottvertrauen dieses frommen Mannes. Eine der bedeutendsten Schlachten des Deutschen Bauernkrieges, die Schlacht bei Frankenhausen am 15. Mai 1525, erlebte der Kurfürst nicht mehr. Er starb am 5. Mai 1525. Nur drei Tage später, am 8. Mai, schloss sein Bruder Johann angesichts der immer stärker werdenden Bedrohung eine Vereinbarung mit dem Erzbistum Mainz, dem Kurfürstentum Brandenburg und dem Herzogtum Sachsen über die gegenseitige militärische Hilfe bei der Niederschlagung der Aufständischen und ihre Bestrafung.
Übersetzung:
Elector Frederick the Wise of Saxony informs his brother, Duke John, about the state of his health and gives his opinion about the revolt of the peasants,
Lochau near Wittenberg, 14th April 1525

During the course of the fifteenth century economic problems, pressure by the temporal and ecclesiastical landlords and the haphazard re-interpretation of traditional rights increased the dissatisfaction of the petty bourgeois and of the peasant farmers, and by this time increasingly led to uprisings of “the common man” that were directed against the economic and political privileges of the patricians and the church. Martin Luther’s critique on the condition of the church, his realization that people should not be subservient to anybody and that their salvation could only be achieved through faith in God, undermined not only the Catholic church’s claim to absoluteness but also provided the spiritual armory for the outraged petty bourgeois and the peasant farmers. From then on they understood that the privileges of the nobility and the church that were justified as “God’s Will” were also theirs by the same right. All over the Holy Roman Empire there were uprisings not just of peasants but also of city dwellers. One of the centers of these insurrections, which history knows as the German Peasants’ Revolt (or War), was in Thuringia. Since 1513 John, Duke of Saxony had ruled here on behalf of his brother Frederick the Wise, Elector of Saxony. The brothers attempted to quell the turmoil using political and diplomatic means with varying degrees of success. From 1524 onwards reports came almost daily from territorial lords about riots in their districts. In Thuringia it was the area around Allstedt and the free imperial city of Mühlausen that became the center of the rebellion. Here Thomas Müntzer preached his belief of a new, more just social order and thereby encouraged the malcontents to use force to take what was theirs by right. At the beginning of 1525 Duke John of Saxony was writing several times each week from Weimar to his severely ill brother Frederick in Lochau to report on the activities of the insurgents in Thuringia and other areas. In April 1525 the situation escalated everywhere. In the south of Germany the Swabian League brutally defeated the Baltringen Band, however new revolts flared up everywhere. In this situation Philipp, Landgrave of Hesse, requested military help to put down a revolt in his territory. Duke John consulted Elector Frederick on whether or not to comply with this request. Up to now the policy of the Ernestine dukes had been to avoid open conflicts and to use political means rather than military intervention. This is made clear in this reply from the elector to the non-extant enquiry of his brother. This is one of the last official letters from Frederick before his death. In view of the tense situation not only his feelings of uncertainty or even powerlessness are made very clear but also the faith in God of this pious man. One of the most significant battles of the German Peasants Revolt, the Battle of Frankenhausen on 15th May 1525 was not experienced by the elector. He died on 5th May 1525. Just three days later in view of the ever increasing threat his brother John decided to form an alliance with the Archbishop of Mainz, the Elector of Brandenburg and the Dukedom of Saxony for mutual assistance and military help in putting down the rebels and punishing them.
Literatur:
Carl Hinrichs, Luther und Müntzer. Ihre Auseinandersetzung über Obrigkeit und Widerstandsrecht. 2., unveränd. Aufl. Berlin 1962.
Manfred Bensing, Thomas Müntzer und der Thüringer Aufstand 1525. Berlin 1966.
Manfred Kobuch, Ernst Müller, Der deutsche Bauernkrieg in Dokumenten. 2., durchges. und erg. Aufl. Weimar 1977.
Martin Luther, Dokumente seines Lebens und Wirkens. Weimar 1983, S. 150.
Volker Graupner, Der Bauernkrieg und die radikale Reformation in Thüringen. In: Wettiner in Thüringen. Geschichte und Kultur in Deutschlands Mitte, hrsg. von Hans Hoffmeister und Volker Wahl. Arnstadt & Weimar 1999, S. 134-140.
Nachweis früherer Editionen:
Carl Eduard Förstemann, Neues Urkundenbuch zur Geschichte der evangelischen Kirchenreformation, Hamburg 1842, S. 259.
Walther Peter Fuchs unter Mitarbeit von Günther Franz, Akten zur Geschichte des Bauernkrieges in Mitteldeutschland, Band II, Jena 1942, Nr. 1183, S. 91 (teilweise).
Martin Luther, Dokumente seines Lebens und Wirkens. Weimar 1983, S. 150 und 353.