Chorbuch 5: 5 Messen (Ordinaria) & 1 Totenmesse

Typ:
Handschrift (Band mit mehreren Werken)
Erscheinungsdatum:
1515/1518
Umfang:
86 Bl.
Bestand:
Handschriften
Signatur:
Chorbuch 5
Entstehungsort:
Flandern
besitzende Institution:
Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek
Literatur:
-- Karl Erich Roediger, Die geistlichen Musikhandschriften der Universitätsbibliothek Jena,
Bd. 1 (Textband), Jena 1935, S. 46-47
-- Herbert Kellmann, Josquin and the Courts of the Netherlands and France: The Evidence of the Sources, in: E.E. Lowinssky and B.
Blackburn (Hrsg.), Josquin des Prez. Proceeding of the International Josquin Festival Conference, Londoin / New York 1976, S.
190-192, 209
-- C. Hamm & Herbert Kellmann (Hrsg.), Census-Catalogue of Manuscript Sources of Polyphonic Music. 1400-1550, 1. Auflg.,
Neuhausen-Stuttgart 1979, S. 290
-- I. Ludolphy. Friedrich der Weise - Kurfürst von Sachsen 1463-1525, Göttingen1984, S. 43-45, 242, 349-350
-- Maria Kapp, Musikalische Handschriften des burgundischen Hofes in Mecheln und Brüssel ca. 1495-1530. Studien zur Entwicklung Gerard
Horenbouts und seiner Werkstatt, Darmstadt 1987, S. 132-134
-- Herbert Kellmann (Hrsg.), Census-Catalogue of Manuscript Sources of Polyphonic Music. 1400-1550, 4. Auflg., Neuhausen-Stuttgart 1988,
S. 413
-- Jürgen Heidrich, Die Deutschen Chorbücher aus der Hofkapelle Friedrichs des Weisen. Ein Beitrag zur mitteldeutschen geistlichen
Musikpraxis um 1500, Baden-Baden 1993, S. XVIIIf.
-- Herbert Kellmann, The Treasury of Petrus Alamire. Music and Art in Flemish Court Manuscripts 1500-1535, Gent und Amsterdam 1999, S.
94-95
Anmerkung:
Chorbuch Nr. 5 enthält heute nur noch zwei figürliche Miniaturen (fol. 1v/2r), es gehört auch zu den
Codices, die wegen ihres Schmuckes verstümmelt wurden, hier sind es die Titelblätter der zweiten und dritten Messe, die
herausgeschnitten wurden, auch wenn man einschränkend feststellen muss, dass gerade dieses Chorbuch mit verhältnismäßig geringen
Beschädigungen die Zeiten überdauert hat.
Die vierte bis sechste Messe sind nur mit Schmuckbuchstaben (Akanthus-, Groteskeninitialen) ausgestattet, so dass sich die
kunstgeschichtliche Betrachtung auf die beiden Anfangsseiten beschränken kann.
Die Handschrift beinhaltet nur eine große Miniatur, aber es ist immerhin eine prächtige Illumination: folio 1 zeigt die Madonna auf der
Mondsichel, umgeben von vier Engeln: die beiden unteren musizierend, die beiden oberen die Krone haltend. Die Miniatur der
Gegenseite (fol. 2r) zeigt die Darstellung des betenden Friedrichs mit der Heiligen Katharina. Oben auf beiden Seiten sind
Randleisten mit den üblichen illusionistischen Streumotiven angebracht, auf folio 2r mit dem Motto Friedrichs, auf folio 1v ist
zusätzlich eine seitliche Randleiste von etwa der halben Seitenlänge. Auch hier ist wegen des großen Formats auf eine
korrespondierendes Randleistensystem verzichtet worden, außerdem ist die Größe der Miniaturen auf den Umfang von jeweils etwa drei
Notenzeilen beschränkt.
Hinweise zur stilistischen Beurteilung liefert us vor allem die Madonnendastellung. Bereits bei der ersten Betrachtung drängt sich hier der
Eindruck des Harten, Metallischen auf, der zunächst durch die leicht grelle Farbwahl entsteht, sowie durch den betonten
Strahlenkranz um die Maria, dessen einzelne Strahlen die Intensität züngelnder Flammen besitzen. Doch bleibt dieser Grundton nicht
auf das Äußere beschränkt, sondern setzt sich in den Gesichtern und der Gewandzeichnung fort. Die Züge der Maria sind von einer
bisher nicht beobachteten Scharfheit und Oberflächenglätte, die hohe, leicht nach vorne gewölbte Stirn, die Augenlider, die betonte,
fast spitze Nase, der energische Mund, wobei das Gesicht ein rundes, doch keineswegs volles Oval ist. Das glatte, nur leicht lockige
Haar schmiegt sich stärker dem Kopf an als üblich. Ähnlich ist auch das Gesicht des Kindes gezeichnet, die Kindlichkeit wird
lediglich angedeutet durch einen runden Kopf mit vollen, kräftigen Wangen. Fest und klar umrissen sind auch die Gliedmaßen des
Kindes, die betonte Bauchlinie wirkt überzeichnet. Die Proportionen der Maria sind im Vergleich zu anderen Miniaturen leicht
gedrungen, sie ist weniger als die überirdische, schöne Gottesmutter charakterisiert, sondern wie eine natürliche junge Mutter, die
behutsam auf ihr Kind blickt, die nicht durch eine überirdische Schönheit ausgezeichnet ist, wie etwa die Madonns van Eycks, somderm
die durch die ihrem Kind gewidmete Liebe und Aufmerksamkeit schön wird. Entsprechend der Darstellung des Gesichts ist auch die der
Gewänder scharfliniger, es kommt in den Gewändern Mariens zu tiefen Falten mit schweren Schatten, anders als bei der eher fließenden
Stoffbehandlung, die wir etwa im Jenaer Chorbuch 3 finden.
Die beschriebenen Unterschiede deuten weniger auf einen anderen Stil als vielmehr auf einen anderen Charakter hin, so dass Maria Kapp zu
dem Schluss kommt, dass es sich hierbei um einen holländischen statt einen flämischen Illuminator handelt, dessen Mariendarstellung
sich an derjenigen von Bouts orientierte. Diesem Ausdruck begegnet der Betrachter innerhalb dieser Jenaer Chorbücher nur hier, er
weicht deutlich von den betrachteten der führenden flämischen Buchmaler der Zeit ab.