Justus Jonas berichtet dem kursächsischen Kanzler Christian Beyer über die Absetzung des Pfarrers zu Seifertshain (bei Leipzig).

Signatur:
ThHStAW, EGA, Reg. Ii 365
Seitenangabe:
1r-2v
Datierung:
wohl Juni 1529 oder später
Orte:
Torgau
Seifertshain
Leipzig
Grimma
Torgau
Wichtige Personen:
Jonas, Justus (* 1493-06-05 † 1555-10-09)
Beyer, Christian (* 1482 † 1535-10-21)
Sachsen, Johann Kurfürst (* 1468-06-30 † 1532-08-16)
Ribloß, Bartholomeus
Bearbeiter:
Gleiß, Friedhelm
Überlieferungsform:
Ausfertigung
Verweis auf andere Quellen:
Visitationsprotokoll: Visitation des Amtes Grimma 1529: HStAD, 10088, Loc. 10598/4, Bl. 522v-523v (Edition dieser Stelle in: Großmann [s.u.], S. 127f.)
Historische Einordnung:
In den evangelisch gewordenen Territorien führten die Fürsten und Städte Kirchenvisitationen durch, um die evangelische Lehre und die damit verbundenen kirchlichen Gebräuche überall durchzusetzen. So reiste auch bei der ersten flächendeckenden Kirchenvisitation in Kursachsen (1528/29) eine aus Theologen und Juristen bzw. fürstlichen Räten gebildete Visitationskommission durch das Land und überprüfte unter anderem die Glaubensüberzeugungen sowie die Amts- und Lebensführung der Pfarrer. Dabei fanden die Visitatoren zum einen Pfarrer vor, die der reformatorischen Lehre aufgeschlossen gegenüberstanden, zum anderen solche, die sich in vielen Punkten noch unsicher waren. Daneben waren viele Pfarrer noch fest vom alten Glauben und den damit verbundenen Zeremonien überzeugt. Während sich manche von ihnen allmählich belehren ließen und Besserung versprachen, beharrten andere hartnäckig auf ihrer Ansicht. Um einen solchen Pfarrer handelt es sich im vorliegenden Dokument.

Bartholomeus Ribloß, der Pfarrer von Seifertshain bei Leipzig, hatte sich beim sächsischen Kurfürsten, Johann dem Beständigen, über das Vorgehen der Visitatoren beschwert. Diese hatten Ribloß bei der kursächsischen Visitation im Amt Grimma 1529 entlassen, weil er unnachgiebig an der altgläubigen Lehre und den Zeremonien festhielt. Im Visitationsprotokoll hatten die Visitatoren ihn als „ganz harten, trotzigen, vollwortigen, halsstarrigen und waschhaftigen Papisten“ beurteilt. Seine Entlassung rechtfertigt im vorliegenden Brief Justus Jonas, der leitende Visitator, gegenüber dem kursächsischen Kanzler Christian Beyer. Jonas war Theologieprofessor in Wittenberg und enger Freund und Mitarbeiter Luthers. Laut Jonas war Ribloß eine ernsthafte Bedrohung für das Seelenheil seiner Gemeinde, weil seine Lehre und Amtsführung zentralen Punkten der reformatorischen Lehre widersprach: Er war der Ansicht, dass der Glaube allein nicht für die Rechtfertigung genüge, sondern dass auch gute Werke nötig seien. Der Pfarrer lehnte die Austeilung des Abendmahls unter beiderlei Gestalt (Brot und Wein) ab. Außerdem nannte er die reformatorische Lehre eine Ketzerei und beharrte auf der Autorität des Papstes und der Konzilien. Obwohl Ribloß durch andere Pfarrer belehrt und ermahnt worden war, hielt er weiterhin an seiner Ansicht fest.
Seine „Unbelehrbarkeit“ oder – in altgläubiger Perspektive – „Glaubensfestigkeit“ zeigt sich auch im Visitationsprotokoll, auf das Jonas ebenfalls im Brief verweist: Nach seiner Entlassung hatten ihm die Visitatoren – was öfter vorkam – in Aussicht gestellt, ihn wieder in eine Pfarrstelle einzusetzen, wenn er in Zukunft von seinem Irrtum ablasse und im evangelischen Sinne lehre und predige. Dieses Angebot hatte er mit den Worten „davor bewahre mich Gott!“ schroff abgelehnt. Bei der Visitation trug er außerdem eine Tonsur, das Zeichen für Mönche und altgläubige Geistliche.
Literatur:
Hans-Günter Leder, Art. „Jonas, Justus“, in: Theologische Realenzyklopädie. Bd. 17. Berlin 1988, S. 234-238.
Heiko Jadatz, Wittenberger Reformation im Leipziger Land. Dorfgemeinden im Spiegel der evangelischen Kirchenvisitationen des 16. Jahrhunderts. (Herbergen der Christenheit, Sonderband 10.) Leipzig 2007, S. 37f., 55-61.
Karl Großmann (Hrsg.), Die Visitations-Acten der Diöces Grimma aus dem ersten Jahrhundert seit der Reformation. 1. Heft. Leipzig 1873, S. 127f.
Bemerkung:
Autograph von Justus Jonas; mit Siegel