Geheime Stellungnahme Philipp Melanchthons gegenüber Eberhard von der Tann über die Dispensierung der Bigamie in begründeten Fällen

Signatur:
StA MR, Best. 3, Nr. 8
Seitenangabe:
43r–46v
Datierung:
[4. März 1540]
Orte:
Rotenburg a. d. Fulda
Person:
Thann, Eberhard von (* 1495 † 1574)
Wichtige Personen:
Melanchthon, Philipp (* 1497-02-16 † 1560-04-19)
Philipp <Hessen, Landgraf, I.> (* 1504-11-13 † 1567-03-31)
Thann, Eberhard von (* 1495 † 1574)
David <Israel, König>
Gideon
Joschija <Juda, König>
Samuel <Biblische Person>
Bearbeiter:
Joos, Clemens (* 1978)
Überlieferungsform:
Ausfertigung
Historische Einordnung:
Der vorliegende Brief Melanchthons befindet sich in einem zeitgenössisch gebundenen Aktenband mit Schriftstücken, die der kursächsische Rat und Statthalter zu Weimar Eberhard von der Tann (1495–1574) bei sich aufbewahrt hatte und mit einem Begleitbrief vom 17. Mai 1571 an Landgraf Wilhelm IV. übersandte, um darzulegen, dass die zweite Verbindung von dessen Vater Philipp „kein Ehehandel“ gewesen sei und dem Landgraf und seinen Brüdern daraus kein Nachteil erwachsen werde. Da lagen die Ereignisse bereits 30 Jahre zurück, die Beteiligten waren tot – Landgraf Philipp starb 1567, seine Frau Christine von Sachsen schon 1549, während sich Philipp in kaiserlicher Gefangenschaft befand, und Margarethe von der Saale 1566 –, und dennoch besaßen sie noch immer beträchtliche Auswirkungen.
Am 4. März 1540 hatte im Schloss von Rotenburg an der Fulda eine Art Ehezeremonie stattgefunden: Vor dem Hofprediger Dionysius Melander standen der 35jährige Landgraf und das 17jährige Hoffräulein Margarethe von der Saale, Zeugen waren Philipp Melanchthon, Martin Bucer, der spätere Briefschreiber Eberhard von der Tann, damals Statthalter auf der Wartburg, als Gesandter des sächsischen Kurfürsten, sowie der hessische Kanzler Johann Feige und andere Räte des Landgrafen. Bereits die Wahl der Nebenresidenz Rotenburg machte deutlich, dass es sich um einen eigenartigen Vorgang handelte, und über den Charakter der Handlung waren und blieben sich alle Beteiligten unklar: Bucer und Melanchthon hatten wohl nicht gewusst, weshalb sie nach Rotenburg reisen sollten, und vom sächsischen Hof wurde von der Tann vergeblich instruiert, auf eine Verschiebung hinzuwirken. Eigenartig an dem Rotenburger Vorgang war, dass Philipp bereits seit 1524 verheiratet war, mit Christine von Sachsen, der Tochter Herzog Georgs (Albertiner).
Philipps Heirat war eine politische Heirat: Seit 1373 bestand zwischen Hessen und Sachsen eine Erbverbrüderung. Während der dynastischen Krise zu Jahrhundertbeginn hatte sich Landgräfin Anna eng an das albertinische Sachsen angelehnt und diese Verbindung war anschließend mit neuen Ehestiftungen abgesichert worden. Philipps Übertritt zur Lehre Luthers bedeutete eine Verschiebung der Gewichte zugunsten einer engen Bindung an Kursachsen, die zugleich einen Ausgleich mit der innerhessischen Opposition ermöglichte. Die ursprünglichen politischen Gründe für die Ehe waren damit weggefallen. Auch mit Liebe war die Eheverbindung nicht gesegnet. Der Landgraf suchte seine Freuden anderswo, er lebte von Jugend an promiskuitiv. Ein Dilemma aus Liebe und dynastischer Räson entstand 1539, als Philipps Schwester, verwitwete Herzogin von Sachsen (Gemahlin von Christines Bruder Johann) an den Kassler Hof kam. In ihrem Gefolge befanden sich die Hofmeisterin Anna von der Saale und deren Tochter Margarethe, um die Philipp alsbald zu werben begann. Glaubt man seinen Briefen, war es eine tief empfundene Liebe, die ihn der jungen Dame aus meißnischem Adel vor allen anderen möglichen Kandidatinnen (die er durchaus im Kopf hatte) den Vorzug geben ließ. Das fürstliche Konkubinat, eine dauerhafte uneheliche Beziehung zu einer Frau, war vom römischen Recht gedeckt, gesellschaftlich weithin akzeptiert und unter Philipps Fürstengenossen gang und gäbe: Der unverheiratete Kurfürst Friedrich III. von Sachsen hatte ebenso eine Konkubine wie der verheiratete Pfalzgraf Friedrich der Siegreiche oder Kardinal Albrecht von Brandenburg, dessen Großvater Albrecht Achilles von Brandenburg in einem Brief an seinen Bruder das Konkubinat gar als „alte burggräfliche Gewohnheit“ ausgegeben hatte. Auf eine konkubinatorische Beziehung wollte sich Anna von der Saale aber nicht einlassen. Sie trat für die Ehre ihrer Tochter ein und forderte ein förmliches Ehebündnis.
In dieser Situation suchte Landgraf Philipp nach einem legitimen Ausweg aus seinem Dilemma. Zunächst gegenüber Martin Bucer aus Straßburg, dann gegenüber Luther und Melanchthon in Wittenberg legte er seine Argumente dar: Seine Ehefrau stoße ihn ab – zweifellos ein Zweckargument –, die Hurerei belaste sein Gewissen: Er könne nicht mehr zum Tisch des Herrn gehen, und bei Paulus habe er gelesen, dass kein Hurer oder Ehebrecher in das Reich Gottes käme (vgl. Hebräerbrief 13,4), weshalb er die ewige Verdammnis zu gewärtigen habe. Tatsächlich hatte ihn schon während des Bauernkriegs die Sorge umgetrieben, im Todesfall wegen „Hurerei und Unkeuschheit“ der ewigen Verdammnis anheimzufallen. Verschärft wurde diese Sorge dadurch, dass 1539 bei ihm eine Krankheit ausgebrochen war, die er als Syphilis deutete. Enthaltsamkeit schloss er jedoch kategorisch aus („Ich muss Hurerei oder Böseres bei dem Weibe treiben“). Dass dafür eine körperliche Anomalie ausschlaggebend gewesen sein soll, wie später entschuldigend behauptet wurde, ist aus heutiger medizinhistorischer Sicht mehr als zweifelhaft. Den Ausweg aus diesen Verstrickungen sah Philipp in einer Doppelehe (Bigamie). Als Bibelleser wusste er, dass die Patriarchen mehr als eine Frau gehabt hatten und weder Gott, noch Christus noch die Apostel hätten das verboten.
Der evangelische Fürst argumentierte theologisch, mit der Gewissensnot und dem Vorbild des Alten Testaments, die Theologen dachten auch politisch: Philipp war einer der Vorkämpfer der Reformation im Reich, der ihre Anliegen unter hohem persönlichen Einsatz stützte, mit ihm wollte man auf keinen Fall brechen. Luther verhielt sich zunächst ablehnend und schwenkte dann um. Um seine Haltung zu verstehen, muss man wissen, dass ihm eine gültig geschlossene Ehe als unauflöslich als galt. Luther war bereits in der Genesis-Vorlesung von 1527 auf die alttestamentliche Polygamie eingegangen, und im Fall der ersten Ehe König Heinrichs VIII. von England votierten Bucer, Capito, Grynäus, Luther und Melanchthon, und übrigens zeitweise auch Kardinal Cajetan und Papst Clemens VII., für den Ausweg der Bigamie anstelle einer Ehescheidung. Bucer scheint auf den Gedanken gekommen zu sein, ein Urteil in Form eines Beichtrates abzugeben: Was unter dem Siegel der Beichte gesprochen war, war geheim, betraf einen Einzelfall und hatte von der individuellen Gewissensnot auszugehen. Der Rat der beiden Wittenberger lief auf einen Dispens hinaus, der die Möglichkeit bot, ein Übel zu tolerieren, um damit ein schlimmeres zu verhindern. Dabei dachten sie allerdings nicht an eine förmliche Ehe, sondern lediglich an eine Tolerierung des Konkubinats. Mit diesen Erwägungen gingen die beiden Theologen sicherlich allzu leichtfertig auf die von Philipp konstruierte Notwendigkeit (necessitas) ein; letztendlich machten sie damit die Theologie der Politik dienstbar.
Luther und Melanchthon datierten ihren Beichtrat am 10. Dezember 1539. Im Anschluss daran, verfasste Melanchthon die vorliegende Stellungnahme für Eberhard von der Tann, den Gesandten Herzog Johann Friedrichs (Ernestiner), der seit Mitte Dezember von dem Beichtrat wusste und mittlerweile erhebliche Zweifel an dessen theologischer Stichhaltigkeit hatte. Melanchthons Schreiben ist undatiert. Die ältere Forschung rückte es in den Dezember, neuerdings wird es zum 4. März 1540, also zum Tag der Rotenburger Hochzeit, datiert. Es wäre dann in den hektischen Tagen entstanden, als von der Tann an den landgräflichen Hof in Friedewald reiste, wo er am 1. März ankam, dann nach Schmalkalden zog, um sich mit Melanchthon zu besprechen, dort erfuhr, dass dieser bereits nach Rotenburg aufgebrochen war, wo von der Tann schließlich ebenfalls am 4. März um 8.00 Uhr morgens eintraf und dann die theologischen Gutachten vorgelegt bekam.
Melanchthons Schreiben an von der Tann stand außerhalb des eng umgrenzten Rahmens der Fürstenbeichte und benennt deshalb Probleme, aber keine Namen. Gleichwohl unterstrich Melanchthon in der ersten Zeile auf den Geheimnischarakter hin. Und er tat sich augenscheinlich nicht leicht mit der Formulierung: Schon bei einem flüchtigen Blick auf das Schreiben fallen die zahlreichen Streichungen und Verbesserungen auf: Bereits im ersten Abschnitt setzte Melanchthon an: „in der ehe sind“, strich dann „sind“ und formulierte vorsichtiger: „in der ehe seyn solten“. Erst nach und nach gewann er an Sicherheit, die Korrekturen nehmen gegen Ende des Schreibens ab.
In seiner Stellungnahme nahm Melanchthon die biblische Überlieferung und das weltliche Recht als Leitplanken, von denen aus er das argumentative Feld beackerte: Einerseits die Aussage von Genesis 2,24, dass der Mann sich eine Frau suchen soll (beide Worte sind dort im Singular gebraucht) und beide eins sein sollen, was von Christus in Matthäus, 19, 5-6 wiederholt wurde, wohingegen andere Verse und Erzählungen des Alten Testaments von der Praxis und Duldung der Vielehe sprechen. Anderseits das Gegenüber von der Monogamie im Westen, die Melanchthon auf das deutsche Gewohnheitsrecht zurückführt, und der im Orient auch bei Christen damals noch üblichen Polygamie. Melanchthon löst das Problem, indem er eine Entwicklung annimmt: Die strengen Gesetze des Anfangs (Einehe) seien infolge des Sündenfalls gelockert geworden. Jesus, der sich in einem Umfeld bewegte, in dem die Mehrehe üblich war, habe sich nicht grundsätzlich dagegen ausgesprochen, weil es ihm vor allem darum gegangen sei, seine Zuhörer für seine Lehre zu gewinnen. Der Rückgriff auf Genesis 2,24 sei (was zutrifft) in einer Situation erfolgt, in der er gegen die Ehescheidung gesprochen habe, nicht gegen die Bigamie. Brauch und Recht der Einehe im Westen seien alt und löblich und nicht in Frage zustellen. In Ausnahmefällen könne man aber im Rückgriff auf das Alte Testament davon abrücken, freilich nicht in Form von Gesetzen, sondern eben eines heimlichen Dispenses. Maßstab ist das Gewissen, das er an einer Stelle pointiert dem leiblichen Gesetz gegenüberstellt.
Mit dieser Argumentation, die die wesentlichen Aussagen des Beichtrats kurz zusammenfasst, versuchte Melanchthon noch einmal, die widersprüchlichen Aussagen der Bibel zu harmonisieren, die Allgemeingültigkeit der Gesetze zu bestätigen und gleichzeitig die Möglichkeit eines Dispenses zu eröffnen. Im Gegensatz zu dem Wittenberger Beichtrat war das Schreiben aber wohl in die konkrete Situation der bevorstehenden Rotenburger Zeremonie hineingeschrieben.
Über deren Charakter ging man bis zum Schluss dissimulierend hinweg, bei dem Gedanken an ein „eheliches Konkubinat“ legte jeder die Akzente anders: Während für Philipp und Margarethe eine Ehe stattfand, die Mutter Anna von der Saale darauf gedrängt hatte, durch prominente Teilnehmer Öffentlichkeit herzustellen und auch Christine von Sachsen noch im Dezember 1539 urkundlich eingewilligt hatte, dass sich Philipp eine weitere „Ehefrau“ nehmen möge, behaupteten Luther und Melanchthon später, von Philipp über seine wahren Ziele getäuscht worden zu sein. Denn selbstverständlich blieben die Vorgänge nicht geheim. Befeuert von Christines Onkel, Herzog Heinrich von Sachsen, und dem altgläubigen Heinrich II. von Braunschweig-Wolfenbüttel entzündete sich eine polemische Kontroverse, die die Anliegen der Reformation schwer beschädigte, Hessen belastete und Philipp auch reichsrechtlich in die Enge trieb. Die Wogen glätteten sich erst langsam. Besonders Landgraf Wilhelm IV., der erste erbberechtigte Sohn, blieb über die Vorgänge und über Luther tief empört. Daraus erklärt sich die Aktensendung Eberhard von der Tanns im Jahr 1571, zu einem Zeitpunkt, als die Originalakten für die kursächsische Kanzlei an Bedeutung verloren. Eberhard war sich jedenfalls sicher, 1540 keiner Ehestiftung beigewohnt zu haben.
Übersetzung:
This letter by Melanchthon is located in a contemporaneously bound volume of documents that the Electorate Council and Governor of Weimar Eberhard von der Tann had stored and then sent to Landgrave Wilhelm IV on May 17, 1571 with an accompanying letter to explain that the second relationship of his father Philipp was “not a negotiated marriage” and that the Landgrave and his brothers would suffer no disadvantage from it. At this point, the events dated back 30 years and the parties involved were dead – Landgrave Philipp had died in 1567, his wife Christine of Saxony in 1549, while Philipp was in imperial captivity, and Margarethe von der Saale in 1566 –, and yet their impact was considerable.
On March 4, 1540, a marriage ceremony took place in the castle of Rotenburg an der Fulda. Before the court chaplain Dionysius Melander stood the 35-year old Landgrave and the 17-year old Margarethe von der Saale; the witnesses were Philipp Melanchthon, Martin Bucer, the later correspondent Eberhard von der Tann, then governor at the Wartburg, as an envoy of the Elector of Saxony, and Chancellor of Hesse Johann Feige, as well as other councils of the landgrave. Even the choice of the secondary residence Rotenburg as a venue made it clear that it was a strange occurrence and all participants remained unsure about the nature of the act: Arguably, Bucer and Melanchthon had not known why they were to travel to Rotenburg and the Saxon court and had instructed von der Tann in vain to try to postpone. The strange thing about the Rotenburg events was that Philipp had already been married to Christine of Saxony, the daughter of Duke George (Albertine), since 1524.
Philipp's marriage was a political marriage: Since 1373 there existed a pact of confraternity between Hesse and Saxony. Saxony had had a considerable influence on the developments in Hesse during the dynastic crisis at the beginning of the century; subsequently, this important relationship was secured through new marriages. The relationship was not blessed with love; the landgrave sought his pleasures elsewhere, having led a promiscuous lifestyle since his youth. A dilemma between love and dynastic reason only arose in 1539, when Philipp's sister, the widowed Duchess of Saxony (wife of Christine's brother John) came to the Kassel court. Her entourage included lady-in-waiting Anna von der Saale and her daughter Margarethe, whom Philipp soon began to woo. If his letters are to be believed, it was a heartfelt love, which led him to give preference to the young lady of the Meissen nobility over all other possible candidates (whom he certainly considered). Royal concubinage, a permanent illegitimate relationship with a woman, was provided for in Roman law, widely accepted in social terms, and commonplace in Philipp's surroundings: The unmarried Elector Frederick III of Saxony had a concubine, as did the married Palsgrave Frederick the Victorious and Cardinal Albert of Brandenburg, whose grandfather Albert Achilles of Brandenburg had downright praised concubinage as "ancient burggravian custom" (alte burggräfliche Gewohnheit) in a letter to his brother. However, Anna von der Saale did not want to consent to a concubinary relationship. She advocated for the honor of her daughter and demanded a formal marriage.
In this situation, Landgrave Philipp sought a legitimate way out of his dilemma. He put his arguments first to Martin Bucer from Strasbourg, then to Luther and Melanchthon in Wittenberg: His wife repulsed him – without a doubt an argument of convenience –, and the whoring burdened his conscience: He no longer could take communion, and he had read in the writings of St. Paul that no fornicator or adulterer could enter the kingdom of God (cf. Hebrews 13:4), which meant he could only expect eternal damnation. Indeed, even during the Peasants' War, he had been plagued by anxieties about suffering eternal damnation upon his death because of his "whoring and unchastity" (Hurerei und Unkeuschheit). These concerns were exacerbated by the fact that he had come down with a venereal disease in 1539. He categorically rejected the possibility of abstinence "I have to commit fornication or worse with women" (Ich muss Hurerei oder Böseres bei dem Weibe treiben). That a physical anomaly should have been instrumental in determining the need to engage in this behavior, as was later apologetically claimed, is more than doubtful from today's medical-historical perspective. Rather, Philipp perceived a bigamous marriage (bigamy) as a way out of his quandary. As a reader of the Bible, he knew that the patriarchs had had more than one wife, and neither God nor Christ nor the apostles had forbidden it.
The Protestant sovereign argued theologically, referring to his moral dilemma and the example of the Old Testament, and the theologians also thought politically: Philipp was one of the pioneers of the Reformation in the empire, who supported their causes at great personal cost. Naturally, therefore, they did not want to break with him. Although Luther was initially reluctant, he also rejected divorce and had already given preference to the possibility of a bigamous marriage in the case of Henry VIII of England. Traditionally, there was indeed a difference in weight between a bigamous marriage and divorce. According to Luther's two kingdoms doctrine, bigamy was a problem of conscience before God. It appears to have been Melanchthon who came up with the idea of delivering a judgment in the form of a confessional counsel: Whatever was said under the seal of confession was confidential, concerned an individual case, and had to be based on the assumption of an individual moral dilemma. The counsel of the two Wittenberg residents came down to a dispensation, which, by advocating the toleration of one evil, would make it possible to avoid an even worse one. However, they most likely did not have a formal marriage in mind, but were instead referring to the acceptance of the concubinage. With these considerations, the two theologians doubtlessly all too easily adopted the necessity (necessitas) constructed by Philipp as their own; ultimately rendering theology subservient to politics.
Luther and Melanchthon dated their confessional counsel December 10, Subsequently, Melanchthon wrote the present statement for Eberhard von der Tann, the envoy of Duke John Frederick (Ernestine), who had been aware of the confessional counsel since mid-December and had since developed serious doubts as to its theological validity. Melanchthon's letter is undated. Earlier research estimated it to be from December, but recently it has been dated March 4, 1540, i.e. the date of the Rotenburg wedding. It would then have been drafted in the hectic days during which von der Tann was traveling to the landgrave's court in Friedewald, where he arrived on March 1, before moving on to Schmalkalden to consult with Melanchthon. There he learned that Melanchthon had already left for Rotenburg, where von der Tann finally arrived on March 4 at 8 a.m. and was presented with the theological assessments.
Melanchthon's letter to von der Tann belonged outside the narrowly defined scope of the sovereign's confession and therefore identifies problems, but no names. Nevertheless, Melanchthon defined its secret nature in the first line. And it was evidently not easy for him to find the right wording: Even a cursory glance at the letter reveals numerous deletions and corrections: In the first paragraph, Melanchthon started with: "are in a marriage" (in der ehe sind), then crossed out "are" (sind) and formulated more cautiously "should be in a marriage" (in der ehe seyn solten). Very gradually, he gained confidence and the corrections decrease towards the end of the letter.
In his statement, Melanchthon used the biblical tradition and secular law as guides, based on which he tilled the argumentative field: On the one hand, he cites the message of Genesis 2:24 that man should find a wife (both words are used in the singular) and both should be one, which was repeated by Christ in Matthew 19: 5-6, whereas other verses and stories of the Old Testament speak of the practice and toleration of polygamy. On the other hand, there is the juxtaposition of monogamy in the West, which Melanchthon traces back to German common law, with polygamy in the Orient, still also customary among Christians. Melanchthon solves the problem by presuming a particular development: The strict laws set out in the beginning (monogamy) were relaxed as a result of the Fall. Jesus, who lived in an environment in which polygamy was common, did not oppose it in principle, because his main goal was to win an audience for his teachings. The reference to Genesis 2:24 was made in a situation in which he had spoken against divorce, not bigamy (which is true). The custom and law of monogamy are old and commendable in the West and not to be questioned. In exceptional cases, however, one could move away from them on the basis of the Old Testament, though not in the form of legislation, but by means of a secret dispensation. The criterion here is the conscience, which he pointedly contrasts with natural law at one point.
Using this argumentation, which briefly summarizes the main points of the confessional counsel, Melanchthon again tried to reconcile the conflicting Bible statements, confirm the generality of the laws, and at the same time justify the possibility of a dispensation. In contrast to the Wittenberg confessional counsel, however, the letter was probably specifically addressing the concrete situation of the imminent Rotenburg ceremony, the nature of which was skipped over dissimulatingly until the very end; everyone emphasized a different aspect at the thought of a "marital concubinage": While a wedding took place for Philipp and Margarethe, Margaretheˈs mother Anna von der Saale had urged them, to create public awareness of their marriage through inviting prominent guests, and Christine of Saxony conceded in a document dated December 1539 that Philipp might take another "wife", Luther and Melanchthon later claimed to have been deceived by Philipp with regard to his true goals. For, of course, the events did not remain secret. Fuelled by Christine's uncle, the Roman Catholic Duke Henry of Saxony, and Duke Henry of Brunswick, a polemic controversy ignited that severely damaged the cause of the Reformation, put a strain on Hesse, and drove Philipp into a corner, also with regard to imperial law. The dust settled very slowly. Landgrave Wilhelm IV in particular, who was next in line to inherit, remained deeply resentful of the events and of Luther. This explains the transfer of documents by Eberhard von der Tann in 1571, at a time when the original documents were losing importance for the Electoral Chancery. Eberhard, for his part, was sure he had not attended a wedding in 1540.
Literatur:
Johann Peter Altmann, Reichsritter und Reformation. Eine Untersuchung über die Rolle des reichsfreien niederen Adels am Beispiel derer von der Tann. Diss. phil. masch. Univ. Frankfurt a. M. 2014, S. 210–226 < online: urn:nbn:de:hebis:30:3-355582 >.
Gerhard Aumüller/Andreas Doll/Thomas•Storm, Medizinische Realität, Fehldiagnose oder politische Propaganda? Die Triorchie Philipps des Großmütigen. In: Ursula Braasch-Schwersmann/Hans Schneider/Wilhelm Ernst Winterhager(Hrsg.), Landgraf Philipp der Großmütige (1504–1567). Hessen im Zentrum der Reform. Begleitband zu einer Ausstellung des Landes Hessen. Marburg-Neustadt a.d. Aisch 2004, S. 117–121.
Wolfgang Breul, „Mit gutem Gewissen“. Zum religiösen Hintergrund der Doppelehe Landgraf Philipps von Hessen. In: Zeitschrift für Kirchengeschichte 119, 2008, S. 149–177.
Stephan Buchholz, Die Doppelehe des Landgrafen. In: Ursula Braasch-Schwersmann/Hans Schneider/Wilhelm Ernst Winterhager(Hrsg.), Landgraf Philipp der Großmütige (1504–1567). Hessen im Zentrum der Reform. Begleitband zu einer Ausstellung des Landes Hessen. Marburg-Neustadt a.d. Aisch 2004, S. 113–116.
Stephan Buchholz, Der Landgraf und sein Professor. Bigamie in Hessen. In: Gerhard Köbler/Hermann Nehlsen (Hrsg.), Wirkungen europäischer Rechtskultur. Festschrift für Karl Kroeschell zum 70. Geburtstag. München 1997, S. 39–63.
Stephan Buchholz, Philippus Bigamus. In: Rechtshistorisches Journal 10, 1991, S. 145–159.
Stephan Buchholz, Rechtsgeschichte und Literatur: Die Doppelehe Philipps des Großmütigen. In: Heide Wunder/Christina Vanja/Berthold Hinz (Hrsg.): Landgraf Philipp der Großmütige von Hessen und seine Residenz Kassel. Ergebnisse des interdisziplinären Symposiums der Universität Kassel zum 500. Geburtstag des Landgrafen Philipp von Hessen. (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Hessen, Bd. 24 / Quellen und Darstellungen zur Geschichte des Landgrafen Philipp des Großmütigen, Bd. 8.) Marburg 2004, S. 57–73.
Paul-Joachim Heinig, Fürstenkonkubinat um 1500 zwischen Usus und Devianz. In: Andreas Tacke (Hrsg.), „... wir wollen der Liebe Raum geben“. Konkubinate geistlicher und weltlicher Fürsten um 1500. (Schriftenreihe der Stiftung Moritzburg. Kunstmuseum des Landes Sachsen-Anhalt, Bd. 3.) Göttingen 2006, S. 11–37.
Horst Nieder, Eberhard von der Tann. Politiker und Gesandter im Dienst der Reformation. In: Jahrbuch des Hessischen Kirchengeschichtlichen Vereinigung 64, 2013, S. 67–87.
Horst Nieder, Die Geschichte der Familie von der Tann in der Reformationszeit, Petersberg 2015, bes. S. 55–60.
William Walker Rockwell, Die Doppelehe des Landgrafen Philipp von Hessen. Marburg 1904.
Nachweis früherer Editionen:
Heinz Scheible/Christine Mundhenk (Hrsg.), Melanchthons Briefwechsel. Kritische und kommentierte Gesamtausgabe. Regesten Bd. 3, bearb. von Heinz Scheible. Stuttgart- Bad Cannstatt 1979, S. 36 f.; Texte Bd. 9, bearb. von Christine Mundhenk unter Mitwirkung von Marion Bechtold et al. Stuttgart- Bad Cannstatt 2008, S. 147–149, jew. Nr. 2385 [1540 März 4, Rotenburg / Fulda].
Heinrich Ernst Bindseil (Hrsg.), Philippi Melanchthonis epistolae, iudicia, consilia, testimonia aliorumque ad eum epistolae quae in Corpore Reformatorum desiderantur. Undique ex manuscriptis et libris editis collegit et secundum seriem annorum dierumque disposuit Henricus Ernestus Bindseil. Halle 1874, Nr. 187, S. 135 f.
Heinrich Heppe, Urkundliche Beiträge zur Geschichte der Doppelehe des Landgrafen Philipp von Hessen, in: Zeitschrift für die historische Theologie 22, 1852, S. 263-284, hier S. 271 f., Nr. III.